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Interview im pt-Magazin

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Stankos Sprechstunde – Nr. 30

Im Gespräch mit Adriane Kovačević

 

 

»Reach out for the gold.
Come play to win.
Never give in.«
(Aus »Reach Out«, Giorgio Moroder)

 

Ich habe Adriane im Frühjahr 2015 auf der FIBO in Köln getroffen. Sie blieb eine Weile bei uns am pt_Stand, hielt sich im Hintergrund, war nicht schüchtern, aber zurückhaltend und sehr freundlich. Wohlwollend und kommunikativ. Weder ihr Wesen, noch ihre Physiognomie – lang und feingliedrig – brachte ich in meiner Vorstellung mit einer Weltmeisterin im Kickboxen zusammen. Da gab es auf der FIBO ganz andere Amazonen, von denen ich das eher gedacht hätte. Und die mir Angst einflößten. Das tat Adriane nicht.

Aber im Gespräch merkt man deutlich: Adrianes Thema ist Kampf. Und gewinnen. Dieses typische Sportler-Gen – manche nennen es auch das Bayern-­München-Gen –, diesen starken Willen, unbedingt gewinnen zu wollen, das hat sie … und ich vermutlich nicht. Ich suche es immer mal wieder.
Ich treibe Sport, weil es mir Spaß macht. Und weil ich mich anschließend besser fühle. Ich suche Wohlgefühl. Mit dem inneren Schweinehund kämpfe ich, manchmal. Öfter. Häufig. Adriane und ich, wir unterscheiden uns. Ihre Antworten faszinieren mich.

 

Adriane, vielen Dank, dass du dir Zeit für meine Fragen nimmst! Du warst zweimal Vizeweltmeisterin, zweimal Europameisterin und 13-mal Deutsche Meisterin im Kickboxen. Wie sah dein Alltag in dieser Zeit aus? Wie häufig hast du trainiert?

Du weißt schon, dass wir hier von über 15 Jahren in der Nationalmannschaft reden? Ich habe während der Schulzeit mit ­Taekwondo und Kickboxen angefangen und vor Wettkämpfen jeden Tag trainiert. Ansonsten fünf bis sechs Tage in der Woche: dreimal Kickboxen, dazu Krafttraining im Fitnessstudio und Laufen oder Berg­sprints – je näher die Einheiten an den Wettkämpfen waren, desto spezifischer stand Schnellkraft im Fokus. Das ist im Pointfighting-Kickboxen (früher hieß es Semikontakt-Kickboxen) das Entscheidende: Der Schnellere erhält den Punkt.
1998 habe ich Abi gemacht und da kam dann auch der erste EM-Titel. Danach zog ich fürs Studium erst nach Marburg, dann nach Mainz und habe bei unterschied­lichen Trainern trainiert und viele neue Methoden kennengelernt.

 

Eine Sportart hat dir nicht gereicht?

Nein. Erst war ich in zwei Nationalmannschaften – Taekwondo und Kick­boxen –, war dann aber kaum an der Uni und habe viel bei meinem Heimatverein trainiert. Da musste ich irgendwann die Taekwondo-Nationalmannschaft streichen, damit das mit dem Studium was wurde. Als ich später anfing, in München zu arbeiten, wurde es dann immer schwerer, das Trainingspensum beizubehalten.


»Ich wollte durch Leistung ­überzeugen!«

 

 

Warum hast du studiert?

Ich wollte mich bewusst nicht nur über meinen Körper definieren und habe Publizistik und BWL studiert. Zum einen, weil ich auch intellektuell gefordert werden und meinen Ehrgeiz auch im Job umsetzen wollte; zum anderen, weil die Auswirkungen einer Verletzung dann zu ­extreme Folgen gehabt hätten und ich ­alles verloren hätte. Und nur mit Kick­boxen kann man kein Geld verdienen – zumindest nicht mit dem Sport, sondern wenn, dann nur durch Medienauftritte. Als Frau heißt das leider meistens: Hüllen fallen lassen. Für mich ist das niveaulos, ich hatte null Bock drauf, mich so zu verkaufen – ich wollte durch Leistung überzeugen!

 

Wie oder warum wird man Kickboxerin?

Ich habe im Alter von vier Jahren mit ­Ballett angefangen und war später im Tages­internat in der John Cranko Schule ­Stuttgart. Irgendwann wurde ich zu groß für eine Balletttänzerin. Da bin ich mit meinen beiden großen Brüdern mit 14 zum Taekwondo gegangen. Wer dort gut war und auf Wettkämpfe wollte, hat auch beim Kickboxen mitgemacht. Durch meine starke Tiefen- und Beinmuskulatur, die ich mir durch das Balletttraining zugelegt hatte, ging es dort dann ganz schnell für mich nach oben.

 

Du hast mir auf der FIBO 2015 in Köln erzählt, dass du einige gute Erfahrungen mit Physiotherapie gemacht hast. Wie sahen die aus?

Ich hatte 2001 bereits die Vorstufe eines Bandscheibenvorfalls. Ein Arzt meinte damals, ich müsste mit meinem Sport aufhören. Daraufhin habe ich mir einen anderen Arzt gesucht, einen Sportmediziner, der auch die Gießener Basketballer betreute. Der meinte, ich müsste dreimal so viel Krafttraining für den Rumpf machen wie andere Leistungssportler. Ich hatte dann das Glück, während meines Studiums über meine Eltern privat versichert zu sein, und wurde zwei Jahre lang zweimal die Woche von einem Physio betreut und habe von ihm alle Grundlagen im Umgang mit meiner Schwachstelle Lendenwirbelsäule gelernt.

 

Wie ging es weiter?

Es hat dadurch fast zehn Jahre gedauert, bis tatsächlich ein Bandscheibenvorfall kam – natürlich erst, als ich anfing zu arbeiten und weniger Zeit für Rückenübungen hatte. Es sah danach aus, als ob mein Sport Schuld an meiner Verletzung war und ich deswegen nie wieder kämpfen könnte.
Aber dann kam ich zu einer Physio­therapeutin, die ganz genau hinhörte. Ich hatte nebenbei erwähnt, dass ich zum Ende meines Studiums rezidivierende Lungenembolien hatte. Ich musste ein Jahr lang Marcumar nehmen und durfte kein Kickboxen machen. Die Physiotherapeutin fand heraus, dass durch die damit verbundenen vielen Lungenentzündungen meine ganze Statik verändert war! Da setzte sie die Behandlung auch an und machte mich nicht nur schmerzfrei, sondern fit für eine weitere EM. Und auch ein Jahr später noch einmal für meine letzte WM.


»Meine Physiotherapeutin hat mir meinen Sport zurück­geschenkt!«

 

 

 

Das ist ja toll!

Ja, eine Physiotherapeutin hat mir geholfen, die sich Zeit für meine Vorgeschichte genommen hat. Sie hat gesehen und mit ihren Händen an meinem Körper gespürt, welche Dysbalancen oder Schwachstellen ich hatte. Sie war es, die mir meinen Sport – zumindest zeitweise – zurückgeschenkt hat.

 

Was bedeutet für dich Heilung?

Geheilt werden müssen Sportler vor allem auch mental, wenn sie so eine Verletzung haben. In dieser Zeit war meine Physiotherapeutin meine wichtigste Vertrauensperson und gleichzeitig mein Motivator. Wobei sie nicht zimperlich mit mir umgegangen ist – ich hab sie immer wieder gefragt, ob sie keine sadistischen Züge hat (sie lacht).

 

Wie sieht dein Leben nach der Sport­karriere aus?

Als erfolgreicher Sportler bist du ganz oben und es gewohnt, bewundert zu werden. Im Job interessiert das keinen – da fängst du wieder ganz unten an. Aber das macht für mich ein echtes Kämpferherz aus: Spaß an der Herausforderung und in allen Lebensbereichen weiterkommen und lernen zu wollen. Mittlerweile bin ich Marketing- und Designchefin bei ­Schildkröt Fitness. Hier entwickle ich auch Konzepte und Trainingstipps und verfasse regelmäßig Beiträge zum Thema Krafttraining, zusammen mit einem ­Physiotherapeuten!

 

Ich würde mit dir gerne ein »Blitzlicht« machen, das heißt, ich nenne dir einen Begriff, zu dem du mir deine spontanen Assoziationen nennst. Okay?
Okay!

 

Kampf?
Gegen sich selbst!

 

Disziplin?
Der Schlüssel zum Erfolg.

 

Work-Life-Balance?
Wenn die Arbeit einen erfüllt …

 

Siegerin?
Wird, wer nach Tiefschlägen stärker wiederkommt.

 

Atmung?
Wichtig für die Körperspannung.

 

Pause?
Nur als Erholungseinheit!

 

Liebe Adriane, vielen Dank für das interessante Gespräch!
Gerne!

 

Heftnummer: 12-2015

 

Über den Autor: JÖRG STANKO

Physiotherapeut seit 1992; bis 2013 in verschiedenen Praxen und Krankenhäusern tätig;
Schriftsteller; schreibt Krimis, Romane und Kinder­bücher;
pt_Autor und pt_Redakteur


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